Welten erlesen – Kinder, die Geschichten verstehen
Der erste Eindruck
Die Leitung einer Kita, mit der ich kooperiere, war bei einem meiner Empfehlungsseminare so begeistert von diesem Bilderbuch, dass sie es sofort für ihre Einrichtung kaufte.
Warum, das schreibt sie euch in ihren eigenen Worten:
Roberta weiß genau, was sie heute machen will: gar nichts! Außer ein bisschen Vor-sich-hin-Träumen vielleicht. Doch das ist gar nicht so einfach, wenn ihre Familie zwischen Fußballtraining, Rasenmähen und Spielerunden jede Menge Vorschläge dafür hat, wie Roberta einen wirklich schönen Tag verbringen könnte. Zum Glück lässt sich Roberta nicht von ihrem Plan abbringen und hat eine herrliche Zeit beim Herumliegen. Wird sie ihre Familie auch noch davon überzeugen können, einfach mal nichts zu tun?
Die Geschichte
Es ist Sommer und dieses angenehme, warme Trägheitsgefühl macht sich wohl auch in der kleinen Roberta breit. Für diesen freien Tag hat sie sich eine Sache ganz fest vorgenommen: einfach nichts zu tun. Rumliegen, faullenzen, einfach sein.
Doch ihre Familie hat eine ganz andere Vorstellung davon, was ein Kind an einem freien Tag tun sollte. Mutter, Vater und Bruder sind durchweg beschäftigt und unterwegs und können es gar nicht fassen, dass Roberta nicht ins Tun kommt. Dauernd werden ihr Vorschläge gemacht, was sie tun könne. Es scheint, als ob die älteren Robertas „Langeweile“ nicht aushalten kann. Roberta lässt sich allerdings nicht so schnell abbringen von ihrem Plan und dümpelt so durch den Tag und genießt sich einfach. Einzig ihre Nachbarin scheint den magischen Moment aufzufangen und gießt Roberta die nackten Füße, damit sie besser wachsen könne.
Die Eltern nehmen es Roberta sogar etwas übel, dass sie den Tag mit Nichtstun verbringen möchte. Beim Abendessen kann Roberta die Familie aber überzeugen, das Nichtstun auch einmal auszuprobieren. Die Großen lassen sich darauf ein und bemerken schnell, dass es gar nicht so einfach ist, nichts zu tun. Sie erkennen jedoch gleichzeitig das Wohlgefühl, welches entstehen kann, wenn man sich darauf einlässt.
Illustrationen
Die Illustrationen laden auf allen Ebenen zum Träumen ein und vermitteln Ruhe – auch durch die Farbauswahl von warmen Gelb- und Grüntönen. Das Vorsatzpapier und einige Szenen im Buch nehmen die Betrachter*innen mit in Robertas innere Bilder, zeigen ihre Wahrnehmung und Vorstellungskraft.
Sie spiegeln Robertas Alltag in Nahaufnahmen und unaufgeregt wieder: in ihrem Zimmer, beim Frühstück, im Garten – entweder träumen und meist mit geschlossenen Augen oder beim genauen Betrachten von einzelnen Details.
Sprache
Die Geschichte wird aus Robertas Perspektive in der Gegenwart erzählt. somit haben wir als Zuhörer*in das Gefühl direkt am Geschehen beteiligt zu sein und die Verbindung auf der kindlichen, emotionalen Ebene gelingt einfach. Denn auch das Thema ist jeder Familie bekannt. Entweder immer unterwegs zu irgendwelchen Sport- und Freizeitaktivitäten oder Verpflichtungen oder auch die Langeweile, mit der eigentlich die Kinder nicht gut zurecht zu kommen zu scheinen.
Doch es ist wissenschaftlich bestätigt: Langeweile fördert Kreativität. Die Eltern müssen es nur auch aushalten können und den Kindern die Möglichkeit bieten, selbst ins (Nichts-) Tun kommen zu können.
Die Sprache ist schlicht und unaufgeregt und geht somit perfekt einher mit der Stimmung des Buches, die Motiv und Bilder auch schon mit sich bringen.
Die Textblöcke sind nicht allzu lang, sodass die Aufmerksamkeit während der Bildbetrachtung aufrecht erhalten bleibt.
Fazit
Die Geschichte erzählt auf atmosphärische und liebevolle Weise, wie sehr sich auch Kinder einfach mal wünschen, nichts zu tun und wie wichtig das Nichtstun ist. Der sehr getaktete Alltag unserer Kinder lässt das leider nicht immer zu.
„Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen.“ Das Zitat von Astrid Lindgren fiel mir beim Lesen sofort ein. Das Buch ist ein liebevoller Hinweis, mal wieder für eine Auszeit vom Alltag zu sorgen, um gemeinsam auf der Wiese zu liegen und vor sich hin zu träumen.
Ein tolles Buch für alle, die gerne mal nichts tun und die, die es gerne mal würden.
„Der schönste Tag zum Nichtstun“
Text und Illustration: Nikola Huppertz / Mareike Ammersken
Verlag: annette betz
Erscheinungsjahr: 2022
ISBN: 978-3-219-11917-6
Coverbild: Copyright annette betz Verlag
Vielen Dank dem annette betz Verlag für die Zusendung des Rezensionsexemplares!